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Der Zigarrenhersteller Oettinger Davidoff legt seine Zahlen für 2023 vor. Konzernchef Beat Hauenstein spricht im Interview mit DTZ über Erfolg und Aussichten, über Regulierung und die Chancen des Genussmittels Zigarre.
Herr Hauenstein, das Rückverfolgbarkeitssystem Track & Trace betrifft Oettinger Davidoff – obwohl Schweizer Unternehmen – sehr stark, da Sie ja in ganz Europa vertreten sind. Wie lief die Umsetzung?
Beat Hauenstein: Das stimmt, der „Compliant market access“, also ein gesetzeskonformer Marktzutritt ist der Schlüssel, damit wir überhaupt verkaufen können. Dank unserer durchdeklinierten Prozesse und den entsprechenden Systemen waren wir zum Stichtag im Mai parat.
War das teuer?
Hauenstein: Es war ein Riesenaufwand, zwischen drei und vier Millionen Franken, die wir investiert haben. Dazu kommen jährliche Kosten, die ebenfalls im tiefstelligen Millionenbereich liegen werden. Und das mit einem Null-Mehrwert für die Kunden. Das ist einfach eine politische Gängelei. Natürlich können wir die Kosten nicht auf die Kunden abwälzen, was natürlich auch ein Ziel der Regulierungen ist.
Wird wenigstens das erklärte Ziel von Track & Trace, den Schmuggel zu bekämpfen, erreicht?
Hauenstein: Den gibt es doch bei Zigarren gar nicht. Track & Trace hat damit zu tun, dass der Gesetzgeber nicht unterscheidet, was geraucht wird. Es gibt das Rauchen zur reinen Nikotinversorgung und den Genuss von Zigarren. Und während man bei Zigaretten die Kosten auf Milliarden-Stückzahlen umlegen kann, müssen wir Hersteller von handgemachten Zigarren die einzelnen Stücke teurer machen, um wenigstens einen Teil der Kosten wieder reinzubekommen. Da sind die Politiker weit übers Ziel hinausgeschossen.
Es stehen weitere Herausforderungen an. Was sind die operativen Herausforderungen fürs laufende Geschäftsjahr?
Hauenstein: Wir befinden uns in einem gesättigten Markt. Nach meiner Überzeugung ist das kein Wachstumsmarkt, aber es gibt hierzu auch andere Ansichten. Es geht darum, Anteile zu sichern und kontinuierlich auszubauen. Das ist schwieriger als früher. Damals markierte man Zielgruppen, die dann bespielt werden konnten. Heute stecken wir ein einem Verdrängungswettbewerb, und der Kunde entscheidet, was er kaufen möchte. Er wählt das Produkt, das ihm am ehesten zusagt – anhand von Qualität, Preis oder Geschmack.
Wenn Sie sagen, es gehe aktuell vor allem um Marktanteile – sehen Sie insgesamt eine Konzentration am Markt?
Hauenstein: Ein echtes Verschwinden habe ich bis jetzt nicht beobachtet. Aber es gibt Marken, die sich aus einzelnen Ländern zurückziehen, da sie die Komplexität der Vorschriften nicht mehr einhalten können.
Spüren Sie das?
Hauenstein: In den vergangenen fünf, sechs Jahren ist der Grad der Verzweiflung gestiegen. Und natürlich gab es Indikatoren, dass es nicht gut lief. Das reichte bis zum Risiko-behafteten Geschäftsmodell, dem Konsignationslager. Die Kunden bestellen, bezahlen aber erst, wenn sie die Ware tatsächlich verkaufen.
Bei Zigaretten heißt es, die Regulierung würde Marktanteile zementieren.
Hauenstein: Das ist so, denn der Markteintritt wird durch die Regelungen und Vorschriften immer teurer und deshalb auch schwieriger.
Aber für Sie im Zigarrengeschäft läuft es doch recht gut …
Hauenstein: Weil wir das richtige Angebot haben und unsere Kunden in unsere Produkte, unsere Marken und unsere Unternehmung vertrauen. Nur damit können wir in einem gesättigten Markt wachsen. Und ja: Wir konnten im Jahrt 2023 das zweite Rekordjahr in unserer 150-jährigen Unternehmensgeschichte schreiben.
Wird es so weitergehen?
Hauenstein: Sie hatten mich nach den Herausforderungen gefragt. Dazu zählt zum Beispiel die teils sehr hohe Inflation in gewissen Märkten. Wir sehen als Folge zum Beispiel in den USA, dass das Geschäft besonders in einer tiefpreisigeren Kategorie spielt. Dort liegen 80 bis 90 Prozent des Zigarrenvolumens inzwischen unter zehn Dollar. Zugleich ist eine Überkapazität vorhanden und es wird sehr viel Discounting betrieben. Die Geschäfte der Händler sind bis unters Dach voll mit Ware, die zuerst verkaufen werden muss, bevor die Händler etwas bestellen können.
Die Politik sorgt da nicht gerade für Entspannung.
Hauenstein: Nein, wir merken, dass sich die tektonischen Machtverhältnisse verschieben. Und darauf haben wir wenig bis keine Antworten. Wir haben Krieg in Europa. Wir haben Regierungen, die nicht mehr den aktuellen Volkswillen widerspiegeln. Damit will ich deutlich machen, dass politische Entwicklungen das Konsumentenverhalten mitbestimmen. Die Menschen rauchen nicht unbedingt weniger, aber sie greifen zu einer günstigeren Marke.
Der Handel – unsere Kernleserschaft – fragt verständlicherweise immer, womit er bei Oettinger Davidoff in den kommenden Monaten rechnen kann …
Hauenstein: Auch in diesem Jahr präsentieren wir wieder innovative Produkte. Die „Year of the Collectors“-Edition, mit der Davidoff alle zwölf „Year of“-Limited-Editions der Chinesischen Tierkreiszeichen zelebrierte, kam im Januar auf den Markt. Dann folgte die Winston Churchill in einem Petit-Panetela-Format. Und im April die Davidoff Maduro Limited Release, die in Europa sehr gut ankommt und zurzeit ziemlich stark anzieht. Im Rahmen der „Cigar History Re-Rolled“ ist am 4. Juli die Davidoff Grand Cru Limited Edition im Diademas Finas Format erschienen, deren Einlageblatt in Grand-Cru-Classé-Rotweinfässern gereift ist. Des Weiteren können sich Aficionados im Herbst und gegen Jahresende auf weitere spannende Produktneuheiten freuen. Mehr kann ich leider noch nicht verraten …
Wie wichtig ist der Tabakwaren-Fachhandel für Sie?
Hauenstein: Sehr wichtig. Und auch umgekehrt: Wir sind der Partner, dem der Handel vertrauen kann: Wir können kontinuierlich liefern und versprechen nicht mehr, als wir halten können. Kurz: Wir sind wirklich ein vertrauensvoller Partner und werden das auch bleiben.
In Deutschland sind Sie sehr aktiv?
Hauenstein: Ja, unsere Gruppengesellschaft Wolsdorff Tobacco betreibt in Deutschland 174 eigene Läden. Und wir werden auch weiter in den stationären Einzelhandel investieren. Ich glaube, dass der Fachhandel, ich überspitze ein wenig, Profiteur all der Regulatorien sein kann, wenn er es richtig macht.
Warum?
Hauenstein: Weil er immer der „Single Point of Contact“ für die Konsumenten sein wird, wo dieser mit kompetentem Fachpersonal sprechen und sich beraten lassen kann. Und ich habe es vorhin gesagt: Ich glaube an den Fachhandel – aber auch dort muss man sich bewegen.
Sie haben eben kurz in einem Nebensatz schon die Liefersicherheit angesprochen. Wie sieht es da aus?
Hauenstein: Ich will nicht immer die Pandemie bemühen, aber während Corona hat uns das Thema sehr beschäftigt. Ich sage es mal so: Dank unserer „Crop to Shop“-Philosophie, mit der wir alle Arbeitsschritte gezielt kontrollieren und steuern können, und dank unserem großen Tabaklager waren wir wirklich sehr, sehr gut mit der Versorgung unserer Kunden. Trotzdem mussten wir die Produktion infolge der zeitweisen Schließung der Fabrik durch die Regierung teilweise auf 50 Prozent reduzieren. Aber als es dann wieder möglich war, konnten wir die Produktion dank unserer motivierten Mitarbeiter schnell wieder hochfahren und kontinuierlich liefern – und zwar nicht nur in dem einen oder anderen Land, sondern global.
Auch für das Management-Team keine einfache Aufgabe.
Hauenstein: Das Wichtigste für eine Unternehmungsführung ist die Prognosefähigkeit, die Steuerung. Dazu gehört auch das Forecasting, in welchen Ländern wir welche Stückzahlen verkaufen können. Das ist essenziell wichtig, beginnend beim Beschaffen von Rohtabak. Die Aspekte zu antizipieren, das ist eine Schlüsselfähigkeit der Unternehmung für Versorgungssicherheit.
Was haben Sie noch im deutschen Markt vor?
Hauenstein: Der deutsche Markt ist mit über 1000 Verkaufsstellen sehr wichtig für uns. Ich habe ja bereits angekündigt, dass wir weiter in den Markt investieren werden. Ziel ist es, den Anteil unserer Eigenmarke auszubauen. Allerdings zeigt der Markt auch in Deutschland insgesamt rezessive Tendenzen. Deshalb müssen wir besser sein als die Mitbewerber.
Sehen Sie im deutschen Markt eine Überalterung der Konsumenten?
Hauenstein: Nein, ich glaube, es kommen auch immer jüngere Genussraucher nach. Das sehen wir insbesondere bei unseren Zino-Events.
Das ist Ihre Marke für eher preisbewusste und jüngere Genießer?
Hauenstein: Genau. Die Marke Zino bringt uns tatsächlich ein jüngeres Publikum, etwa 30-plus. Und was auch schön zu sehen ist: dass immer mehr Frauen sich auch an größere Formate herantrauen, das ist eine tolle Entwicklung.
Genießen die jungen Konsumenten weniger Zigarren?
Hauenstein: Ja, wir sehen einen Trend zum Genussrauchen, das heißt, man genießt die Zigarre bewusst und raucht weniger. Dazu tragen natürlich auch die Regulierungen bei … Wenn vier Freunde unterwegs sind, von denen drei nicht rauchen, im Biergarten gilt zudem ein Rauchverbot, dann raucht der vierte ebenfalls nicht. Der Druck ist wirksam, er funktioniert.
Kommen wir zur TPD 3, die allmählich näher rückt. Wie beurteilen Sie das?
Hauenstein: Die immer größere Regulierungswut, um es mal noch relativ diplomatisch auszudrücken, macht uns natürlich Sorgen. Aber: „Let‘s cross the bridge when we get there.“ Die TPD 3 ist aus meiner Sicht noch recht weit weg.
Aber besser wird die Lage nicht.
Hauenstein: Nein, das wird leider nicht besser. Handgefertigte Zigarren werden immer ein Nischenprodukt bleiben. Ich wünsche mir, dass die europäische Regulierungsbehörde den Unterschied unserer Produktkategorie versteht und handgefertigte Zigarren nicht mit anderen Tabakerzeugnissen gleichstellt. Trotzdem werden mit TPD 3, 4, 5 immer wieder neue Ideen der Politik auftauchen, da müssen wir einfach offen bleiben. Dennoch: Der Wunsch, eine gute Zigarre zu rauchen, der wird bleiben, davon bin ich überzeugt.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Hauenstein.
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