GEISENHAUSEN // Was kommt in den kommenden Monaten auf die Tabakbranche zu? Diese und viele weitere Fragen stellte DTZ Patrick Engels, Geschäftsführender Gesellschafter von Pöschl Tabak in Geisenhausen.
Herr Engels, wie beurteilen Sie den deutschen Markt für Tabakwaren aktuell?
Patrick Engels: Unterm Strich ist der Markt sehr stabil. Allerdings sehen wir zum Beispiel, dass der illegale Handel wieder zugenommen hat; während Covid spielte der ja aufgrund der geschlossenen Grenzen praktisch keine Rolle.
Und ich glaube, die Abschottung während dieser Zeit hatte für die Branche noch einen Vorteil …
Engels: Ja, was mich durchaus freut, ist, dass die Pufferfunktion zwischen Feinschnitt und nicht in Deutschland versteuerten Produkten, über die wir seit Jahrzehnten sprechen, sich gerade während Covid absolut bewahrheitet hat. Also: Viele Konsumenten, die sich früher im Ausland ihre Produkte beschafft haben, haben zwangsläufig wieder in Deutschland gekauft und dort verstärkt auf Markenprodukte zurückgegriffen. Insofern fühlen wir uns da absolut bestätigt.
Jetzt haben Sie über Zigarette und Feinschnitt gesprochen …
Engels: Genau. Auch der Schnupftabakmarkt ist relativ stabil. Leider hat Bernard, die älteste Manufaktur in Deutschland, aufgrund von Track & Trace geschlossen – was ich bei aller Konkurrenz sehr schade finde. Zum Thema Pfeifentabak nur so viel: Da geht es leider seit Jahren bergab, ich schätze, dass sich der Markt in den vergangenen 40 Jahren gefünftelt, wenn nicht sogar gesechstelt hat.
Traurig.
Engels: Ja, weil die Pfeife natürlich ein absolutes Kultur- und Genussgut ist. Aber durch die Rauchverbote, speziell in der Gastronomie, finden die Konsumenten immer weniger Zeit und Muße, eine Pfeife zu rauchen – zumal das ja etwas länger dauert. Und immer vier oder fünf Pfeifen mitzunehmen, die ein passionierter Raucher so braucht, macht die Sache nicht unbedingt leichter.
Auch hier greift seit Mai Track & Trace?
Engels: Sowohl beim Schnupftabak als auch beim Pfeifentabak.
Wie ist die Umstellung bei Ihnen gelaufen?
Engels: Ich finde, wir haben die Sache ganz gut geregelt. Die Kosten allerdings sind absolut unverhältnismäßig. Dazu kommt, dass diese Produkte de facto nicht geschmuggelt werden. Da stellt sich dann schon die Frage, ob das alles Maß und Ziel hat. Und dann stellt sich vor ein paar Monaten die zuständige Kommissarin in Brüssel hin und sagt mehr oder weniger deutlich, dass die ganze Sache eigentlich nichts bringt.
Wie bitte?
Engels: Ja, tatsächlich. Was ich außerdem sehr, sehr schade finde: Viele kleinere und mittlere Unternehmen haben aufgrund von Track & Trace die Segel gestrichen oder werden sie noch streichen. Auch die Produktvielfalt dürfte zurückgehen, weil das Geschäft mit Kleinstmengen oder mit speziellen Verpackungen unter Track & Trace nur selten sinnvoll ist.
Wie setzen Sie die Vorschriften denn bei so kleinen Verpackungen wie denen für Schnupftabak um?
Engels: Dazu muss ich sagen, dass wir mit gewissen Formaten schon unsere Sorgen hatten. Denn die vorgeschriebenen Kodierungen passen kaum auf die Dosen. In die Lösung haben unsere Mitarbeiter wirklich viel Gehirnschmalz gesteckt. Das macht mich stolz.
Track & Trace ist ein ökonomischer Hemmschuh?
Engels: Ja, man kann getrost sagen, dass Track & Trace staatlich regulierte Wettbewerbspolitik ist.
Und dabei waren Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen mit Feinschnitt und Zigarette wahrscheinlich noch in einer relativ angenehmen Situation?
Engels: Was Pfeifentabak betrifft – da sind die Formate denen von Feinschnitt recht ähnlich. Aber der Schnupftabak war wirklich Neuland. Auch hier ein toller Job unserer Belegschaft. Da mussten wir über die Maschinen reden, da mussten wir über die Formate reden, da mussten wir natürlich über den geringen Platz sprechen. Es sind ja nicht nur die Track & Trace-Codes, die wir aufbringen müssen, sondern noch andere Dinge, etwa das Sicherheitsmerkmal. Das macht die Sache wirklich schwierig. Unterm Strich ist Track & Trace für mich ein Rohrkrepierer.
Lassen Sie uns über Nikotin-Pouches sprechen. Die sind in Deutschland nicht erlaubt …
Engels: Ein schwierig zu beurteilender Markt. Die Gesetzeslage in Europa ist so unterschiedlich, dass ich nicht zu sagen vermag, ob es jemals zu einer einheitlichen Positivregulierung kommt.
Wie beurteilen Sie denn die Konkurrenz durch die neuartigen Erzeugnisse?
Engels: Ach, ich habe prinzipiell etwas gegen Verbote. Sofern diese Produkte legal sind, haben sie eine Marktberechtigung. Wie das dann ausgestaltet wird, ist eine andere Geschichte. Was mich persönlich sehr stört: Ich halte die Herangehensweise, die man derzeit auf dem Markt sieht, teilweise für widersprüchlich und inkonsequent.
Inwiefern?
Engels: Vor der Europawahl wurde ganz Berlin zugepflastert mit sogenannten Billboards: Deutschland hört auf zu rauchen. Dabei muss man berücksichtigen, dass das alles mit Erlösen aus dem Tabak finanziert wird. Das ist in meinen Augen inkonsequent. Meine Botschaft an gewisse Tabakunternehmen: Falls der ein oder andere seine klassischen Tabakmarken nicht behalten will, stehen wir Gewehr bei Fuß.
Sie blicken offenbar optimistisch auf die Zukunft des Tabaks.
Engels: Ja, der klassische Tabak wird immer bestehen bleiben. Was andere Kategorien betrifft, bleibt die Entwicklung abzuwarten. Wie gesagt: Ich bin ein großer Verfechter des Wettbewerbs.
Auch der wird ja eingeschränkt. Wie beurteilen Sie denn den aktuellen Stand der Regulierung?
Engels: Die aktuelle TPD ist ja genau zehn Jahre alt. Das war damals ein ziemlicher Schlag ins Kontor mit vielen Aspekten, die ich bis heute nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel, dass man die Aromen nicht mehr auf Pfeifentabak- und Schnupftabak-Packungen schreiben darf. Und die Warnhinweise halte ich nach wie vor für überzogen.
Dafür mussten andere Angaben weichen.
Engels: Genau, die Informationen über Inhalte.
Das waren die Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidwerte.
Engels: Das Argument war, dass Konsumenten sich dadurch fehlgeleitet fühlen könnten. Ich halte das für Blödsinn. Jedenfalls haben wir uns mit der TPD2 arrangiert. Jetzt bleibt abzuwarten, was die TPD3 bringen wird, was auch davon abhängt, wie sich die neue EU-Kommission aufstellt und wer dann am Ruder sein wird.
Einfacher wird es aber wohl nicht?
Engels: Nein, was Brüssel betrifft, habe ich den Eindruck, dass der vielversprochene Demokratieabbau nicht stattgefunden hat. Ganz im Gegenteil. Und das gilt übrigens auch für Berlin. Nehmen Sie nur das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das ist doch Wahnsinn. Zumal gerade wir als Pöschl ein so tiefes Sorgfaltssystem haben. Mit Blick auf die Corporate Social Responsibility haben wir schon seit Jahrzehnten viele Maßnahmen umgesetzt, aus eigenem Interesse heraus. Da braucht es kein Gesetz, um ein paar schwarzen Schafen das Handwerk zu legen.
Haben Sie ein Beispiel für Ihr nachhaltiges Handeln?
Engels: Wir kaufen zum Beispiel unseren Rohtabak grundsätzlich nur gegen Zertifikate, dass dort keine Kinderarbeit stattfindet. Das ist für uns eine Frage des Ethos. Und ich glaube, die 122-jährige Geschichte unseres Hauses zeigt, dass wir richtig lagen und liegen.
Tabak gibt es seit mehr als 530 Jahren in Europa. Aber der Konsum wird den Menschen zunehmend vergällt.
Engels: Dabei gehört Tabak einfach für viele zum Leben. Natürlich sollte man niemanden damit belästigen. Aber wenn ein Erwachsener für sich die Entscheidung getroffen hat, rauchen zu wollen, dann soll er das auch bitte tun dürfen.
Stattdessen wird man oft kritisch beäugt.
Engels: Diese moralische Bevormundung, die teilweise vorherrscht, geht mir oft ziemlich gegen den Strich, weil sie für mein Gefühl meist unehrlich ist.
Wie empfinden Sie denn die Situation für Ihr Unternehmen als Mittelständler?
Engels: Das Thema Überregulierung ist nicht nur im Tabakbereich problematisch. Was wir auch sehen, ist die Energieproblematik, die auch alle Unternehmen betrifft. Und ein ganz großes Problem ist das Thema Arbeitskräftemangel. Das ist flächendeckend zu sehen, egal ob in einer Großstadt oder in einem eher ländlichen Raum, wie dem, in dem wir beherbergt sind. Und das macht es oft schwierig.
Woran liegt das?
Engels: Die Bildungspolitik spielt auf jeden Fall eine gewisse Rolle. Und ich bin niemand, der sagt: Früher war alles besser. Dennoch erkenne ich einen gewissen Zeitenwechsel. Das macht mir schon Sorge. Außerdem glaube ich, dass der Stellenwert des klassischen Facharbeiters bei uns in Deutschland viel zu wenig gewürdigt wird. Das ist im Ausland anders. Hier muss steuernd eingegriffen werden. Und die Schulausstattung, das hat ja auch Covid gezeigt, ist teilweise grottig.
Moment, die Jugend studiert zu viel?
Engels: Ich möchte nicht sagen, dass die Jugend zu viel studiert. Aber vielleicht sollte man mal sagen, dass nicht jeder Akademiker werden muss. Gerade als Facharbeiter, als Handwerker kann man oft sicher mehr Geld verdienen oder einen anderen Stellenwert im Job haben als in der – in Anführungszeichen – Akademikerblase. Jedenfalls ist der Bildungsstandort Deutschland, der früher immer hoch gelobt wurde, in den vergangenen Jahren etwas verkommen. Da gibt es Handlungsbedarf. Natürlich kostet das alles Geld, keine Frage. Aber dieses Geld ist vernünftiger investiert, als wenn wir es etwa in die Bürokratie stecken.
Jetzt sind wir bei der Landes- und Bundespolitik. Wie sehen Sie insgesamt die Situation in Deutschland?
Engels: Zunächst muss ich sagen, dass es ein positives Zeichen war, dass so viele Menschen zur Europawahl gegangen sind. Wie sich die Mehrheitsverhältnisse in Zukunft entwickeln werden, das ist schwer zu sagen. Feststeht, dass die Spaltung innerhalb der Gesellschaft kein gutes Licht auf Deutschland wirft.
Mit Blick auf die anstehenden Bundestagswahlen sind schwer Prognosen möglich …
Engels: Diese sogenannten Dreierkoalitionen oder Mehrparteienkoalitionen sind generell schwierig, insbesondere wenn die Parteien aus so komplett verschiedenen Lagern kommen, wie man es an der Ampel sehen kann. Diese gibt kein sehr gutes Bild ab.
Offensichtlich erreicht sie mit ihrer Politik die Bürger nicht.
Engels: Auch, weil die Persönlichkeiten fehlen. Erinnern Sie sich, wie es früher im Bundestag zugegangen ist. Das waren doch alles Leute, die eine Position hatten und diese Position auch vertreten haben. Heute herrscht dagegen ein ziemlicher Mainstream vor.
Wenigstens zeigen sich wieder mehr junge Leute politisch engagiert. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit.
Engels: Und ich habe mich bei der Europawahl sehr gefreut, dass so viele junge Leute – für mich unerwartet – die Union gewählt haben. Früher war es eigentlich immer so, dass die jungen Leute tendenziell eher alternativ gestimmt haben. Deutschland ist eben nach wie vor ein konservatives Land.
Und die SPD?
Engels: Hat gerade bei der Europawahl eine reine Klientelpolitik gemacht für die 15 Prozent, die sie noch haben.
Sie selbst sehen sich als konservativ?
Engels: Ja, und als relativ altmodischer Mensch; ich hab‘ kein Whats-App, ich hab‘ kein LinkedIn, kein Instagram … Ich hab‘ halt mein Handy, das ist mein Telefon, mein E-Mail-Account, mein Wecker und damit hat‘s sich. Ich trauere immer noch meinem Blackberry hinterher.
Da sind Sie nicht allein. In welchen anderen Politikfeldern sehen Sie akuten Handlungsbedarf?
Engels: Wir schreiben das Jahr 2024, wir haben all die Gräueltaten, all die Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts hinter uns – aber die Menschheit wird einfach nicht vernünftiger. Das verstehe ich nicht. Deshalb muss die Außenpolitik besser werden. Und mit Blick auf die Wirtschaftspolitik brauchen wir einen Bürokratieabbau und definitiv keine neuen Steuern. Wir sollten wieder mehr auf die Kräfte des Marktes vertrauen und weniger auf Regulierung. Diese Kräfte des Marktes und gegenseitige Wertschätzung sollten das Maß der Dinge sein.
Eingriffe des Staats ins wirtschaftliche Handeln waren in der Regel nicht besonders erfolgreich …
Engels: Absolut. Und das führt mich jetzt zurück zu den Themen Wettbewerb und Mittelstand. Unser Unternehmen ist natürlich nicht börsennotiert. Das heißt, wir haben nur eine einzige Möglichkeit, Umsatz zu machen und Geld zu verdienen, auch um etwa die Löhne zu bezahlen – das ist unser originäres Geschäft. Wir sind vielleicht nicht das top-innovative Unternehmen, wie es andere in anderen Wirtschaftsbranchen sind. Aber wir nehmen uns die Zeit und wägen ab, ob wir ein Vorhaben oder eine Idee wirklich umsetzen oder nicht. Denn wenn wir etwas machen, dann soll es auch Erfolg haben. Deswegen muss man Dinge bis zum Ende denken. Am Ende des Tages haben wir als Mittelständler die Verantwortung für unsere Mitarbeiter. Wenn wir die Kiste gegen die Wand fahren, dann ist davon ein Haufen andere Leute betroffen.
Wie viele sind das bei Ihnen?
Engels: Wir haben mittlerweile weltweit rund 950 Mitarbeiter, vor allem in Europa. Wenn Sie da im Schnitt noch einen Partner haben oder Kinder mit draufrechnen, kann man sich sehr leicht ausrechnen, wie viele Leute betroffen wären.
Die Bedeutung der KMU in Deutschland wird auf vielen Ebenen unterschätzt.
Engels: Absolut richtig. Übrigens: Sie haben KMU angesprochen. Ich finde diese Größenklassen unpassend. Ich bevorzuge den Ausdruck Mittelstand, denn Mittelstand ist für mich keine Frage der Größenordnung, sondern das ist eine Frage der Geisteshaltung, der Denkhaltung. Darauf hat Deutschland immer gefußt, und ich glaube, darauf sollten wir wieder mehr achten, speziell in der Politik.
Was sind Ihre wichtigsten Anliegen, Ihre Botschaften als Unternehmer?
Engels: Wir müssen die Inkonsequenz beenden. Wer propagiert, er wolle keinen Tabak mehr, sollte es dann auch bleiben lassen.
Okay. Und?
Engels: Steuererhöhungen, in welcher Art und Weise auch immer, seien es Tabak oder andere Dinge, sollten tunlichst unterlassen werden. Sie tun weder der Wirtschaft noch der Gesellschaft gut. Und Steuererhöhungen aus ideologischen Gründen …
… etwa, um Rauchverbote durch die Hintertür umzusetzen …
Engels: … sind umso schlimmer. Das beste Beispiel sind Frankreich, Belgien und die Niederlande. Dort zeigt sich, dass der Staat wirklich ganze Bereiche kaputt machen kann, ohne dass er seine vorgeblichen Ziele erreicht.
Und Ihr Unternehmen betreffend?
Engels: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es das Haus Pöschl auch in der fünften Generation noch geben wird. Und gleichzeitig freut es mich, und das will ich an dieser Stelle auch so sagen, dass wir eine so treue Händler- und Konsumentenschaft haben, die unsere Produkte gerne mag. Und das macht mich stolz.
Ein wunderbares Schlusswort. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Engels.
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