WALDSHUT-TIENGEN // Nach 56 Jahren verabschiedet sich Michael Blumendeller von Villiger und der Zigarrenbranche. DTZ traf ihn für ein letztes Interview in der Lounge des Unternehmens in Waldshut-Tiengen, zwei Tage vor seinem offiziellen Ausscheiden.[
Herr Blumendeller, wie geht es Ihnen?
Michael Blumendeller: Danke. Es geht mir gut! Am Mittwoch, dem 6. Februar, ist mein letzter Arbeitstag. Ich hatte das Riesenglück, dass ich über das Rentenalter hinaus für Sonderaufgaben wie für unser gesamtes Handmade-Zigarrensortiment verantwortlich sein durfte. Heinrich Villiger persönlich gab mir die Chance.
… als Head of Premium Cigars Division & Manager Special Tasks and Projects.
Blumendeller: Genau. Das hat richtig Spaß gemacht. Ich konnte weltweit meine Kontakte ausbauen und nutzen. Natürlich kommt ein bisschen Wehmut auf, wenn ich die vielen Abschieds-E-Mails aus Nicaragua, der Dominikanischen, Honduras und den USA lese. Aber nach 56 Jahre im Tabakgeschäft ist es Zeit.
Ist eine Nachfolge für Ihre Funktion geplant?
Blumendeller: Nein. Alle Aufgaben und laufenden Projekte, habe ich an einen Villiger-Geschäftsführer übergeben.
Sie blicken eine einzigartige Laufbahn in der Branche zurück, die Hälfte davon bei Villiger. Welche Erinnerung bleibt?
Blumendeller:Wenn ich positiv zurückblicke, fallen mir drei prägende Phasen ein: Meine Zeit bei R. J, Reynolds mit spannenden Projekten wie der Formel 1 mit Ayrton Senna oder Michael Schumacher. Oder der Marktstart der Camel Filter in Deutschland. Dazu haben wir uns mit einem echten Kamel auf den Kurfürstendamm in Berlin gestellt. Verrückte Sachen (lacht). Dann war ich acht Jahre bei 5th Avenue, wo ich auch Fidel Castro auf meiner Reise nach Havanna kennenlernte, als der Zigarrenkult begann. Es war beeindruckend. Wir begleiteten später von Villiger große Events wie „Wetten, dass …“ mit Thomas Gottschalk, und als Gerhard Schröder noch Bundeskanzler war, saßen wir einmal im Kanzleramt und rauchten gemeinsam Zigarre.
Und drittens …
Blumendeller: Schließlich die Zusammenarbeit mit Heinrich Villiger, einem Mann mit einem wahnsinnigen Charisma, einem unheimlichen Fachwissen und einem riesigen Know-how. Nicht zu vergessen die Vision und Entscheidung Heinrich Villigers, 1989 das erste Joint Venture weltweit mit dem kubanischen Hersteller Habanos für den offiziellen Alleinimport kubanischer Zigarren für Deutschland über das Unternehmen 5th Avenue zu gründen. Er schenkte mir sein uneingeschränktes Vertrauen, zum Beispiel beim Aufbau der Fabrik in Nicaragua. Villiger sagte zu mir: „Fliegen Sie doch mal rüber und schauen Sie, wie es aussieht.“
Mit Erfolg …
Blumendeller: Ja, die Fabrik Villiger de Nicaragua läuft gut. Auch die Umstrukturierung und Verantwortung für Villiger Cigars Nordamerika oder die Planung und Durchführung unserer Hundertjahrfeier 2010 im Europapark Rust sind besondere Erinnerungen aus den Jahren bei Villiger. Dazu zählen auch die Begegnungen mit so bekannten Herstellern wie Rocky Patel, Dr. Martinez Quenca von Joya de Nicaragua, Nestor Plasencia oder Maya Selva. Bei Maya war ich noch zur Eröffnung ihrer Manufaktur (siehe auch Seite 9). Ich habe sie alle kennengelernt. Wenn wir uns auf Messen wie in Dortmund oder bei Festivals gesehen haben, freute man sich und redete miteinander. Beruflich hat man sich immer respektiert.
Welche Entwicklungen bewerten Sie heute positiv für die Zigarrenbranche?
Blumendeller: Wir haben es drei Männern zu verdanken, dass wir heute so fantastische Zigarren aus Kuba und anderen Ländern rauchen dürfen: Christoph Kolumbus brachte 1492 den Tabak nach Europa. Fidel Castro verstaatlichte die kubanische Zigarrenproduktion und John F. Kennedy verhängte das Embargo, das zur Expansion in anderen Ländern führte. Heute profitieren die Zigarrenraucher weltweit von hochwertigen Produkten aus der Dominikanischen Republik, Nicaragua oder Honduras.
Können Sie und das erläutern…
Blumendeller: Die USA sind heute der größte Zigarrenmarkt in der Welt, der aber aus Kuba nicht beliefert werden darf. Die Nachfrage ist riesig. Also entwickelte sich in den vergangenen 20 Jahren die Produktion hochwertiger Premiumzigarren in Nicaragua, der Dominikanischen Republik und Honduras.
Sie waren als Head of Large Premium Cigars & Special Projects für Villiger vor allem in den USA tätig. Wie sehen Sie die aktuellen Trends in der Zigarrenbranche dort?
Blumendeller: Während in Deutschland eine Zigarre der Marke X von Flensburg bis Rosenheim denselben Preis hat, gibt es in den USA Preisunterschiede von bis zu zehn Dollar. Das liegt an den sehr unterschiedlichen Tabaksteuern in den Bundesstaaten. Im Gegensatz zum deutschen Markt, werden circa 70 Prozent aller Zigarrenverkäufe in den USA online getätigt.
Wie beurteilen Sie die Situation der Branche unter der neuen Trump-Regierung?
Blumendeller: In den vergangenen Monaten war ich oft in den USA und habe viele Gespräche mit Händlern und Anbietern geführt. Die einheitliche Meinung war, dass keine Probleme erwartet werden. Sollte Trump allerdings massiv die Einfuhrzölle für Waren aus Europa erhöhen, könnte beispielsweise ein Päckchen Zigarillo das hier sechs Euro kostet, in den USA schnell 15 Dollar kosten. Ob die Raucher dann bereit sind, so viel auszugeben, bleibt abzuwarten.
Kommen wir zu Ihren persönlichen Vorlieben. Gibt es eine Zigarre, die für Sie eine besondere Bedeutung hat?
Blumendeller: Ja, zwei. Zum einen die Villiger San D’Oro Claro & Colorado. 2014 entwickelte ich sie gemeinsam mit Carlos Oliva. Wir haben den ganzen Tag geraucht, getestet, geraucht, getestet, getestet. Irgendwann hatten wir den richtigen Blend. Der Rest ist Geschichte. Für mich ist sie eine fantastische Zigarre.
Und die zweite?
Blumendelller: Das ist La Libertad, meine Favoritin.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft der Branche?
Blumendeller: Vertriebsmitarbeiter müssen bei dem wachsenden Zigarrenangebot im Handel umfangreiche Produktkenntnisse mitbringen. Der Handel braucht mehr Informationen und Know-how. Es reicht nicht nur zu erklären, die Zigarre kommt aus dem Land X, im Format Y und kostet so und so viel oder ist stark, mittel oder leicht. Der Händler muss den Verbraucher beraten. Aus dem Grund richteten in den USA viele Fachhändler in den vergangenen drei Jahren eine Lounge zur Kundenbindung ein. Die Option ist bei uns nicht überall möglich. Umso wichtiger sind Hintergrundinformationen zum Produkt. Bei Villiger bilden wir unsere Außendienstmitarbeiter vor Ort bei unseren Partnern in den Herkunftsländern aus. Dort erhalten sie alle Einblicke in die Produktion, sie rollen selber Zigarren und gehen mit auf die Felder. Auf die Weise können sie ihr Fachwissen vertiefen.
Was raten Sie jungen Menschen in der Branche?
Blumendeller: Wer sich für die Branche interessiert, sollte Fremdsprachenkenntnisse mitbringen. Englisch oder Spanisch, gerne auch beide Sprachen, sind wichtig. Ebenso wie die Bereitschaft, von Profis zu lernen, und die Liebe zum Produkt und er sollte ein Zigarrenliebhaber sein oder werden, ansonsten funktioniert das nicht.
Abschließend noch die Frage zu Ihren künftigen Plänen.
Blumendeller: Mein Golfhandicap schreit nach Verbesserung (lacht). Mitte Februar beginne ich meinen Job bei der Tafel in Bad Säckingen. Eine wichtige Entscheidung für mich war, wenn ich in den Ruhestand gehe, tue etwas Gutes. Mitte Februar starte ich einen Intensiv-Spanischkurs. Im Mai werden wir die Schwiegereltern unseres Sohns in Mexiko besuchen, und ich möchte mich mit ihnen gerne in der Landessprache unterhalten.
Herr Blumendeller, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
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